Kritik
„Die Revolution ist kein Festessen, kein literarisches Fest, keine Stickerei. Sie kann nicht mit Eleganz oder Artigkeit durchgeführt werden. Die Revolution ist ein Akt der Gewalt.“ - Mao Tse Tung
Möchte man eine Filmkritik zum Sergio Leones Klassiker „Todesmelodie“ aus dem Jahre 1971 schreiben, so kommt man nicht drumherum eine politische Parabel zu verfassen. Immerhin dreht sich der Film selbst um die mexikanische Revolution (immer noch ein Kleinod im Western-Genre) und entpuppt sich mit seiner Figurenkonstellation und Dialogen an vielen Stellen als wichtiger Befund der damaligen (70er Jahre) Zeit. Beabsichtigt oder nicht, wer sich mit Leone beschäftigt, beschäftigt sich auch automatisch mit einer oftmals unterschwelligen Gesellschaftspolitik. Und bei keinem anderen Film war sie so stark wie bei Rod Steigers und James Coburns Abenteuer in den Wirren Mexikos. Einem Film, dessen Aussage durchaus zu kritisieren ist, dessen Bildsprache aber vor allem eines enthüllt: Eine Revolution ist ein blutiges Geschäft. Und nicht nur dies, denn wer sie schlussendlich austrägt ist schließlich die spannende Frage. Auf der einen Seite die gebildeten Anführer mit Plänen, Vorschlägen und Taktiken. Auf der anderen Seite die (Vielleicht auch unwissenden) Patrioten und Gefolgsleute, die versuchen ihre Welt besser zu machen. Doch das Ergebnis ist zumeist enttäuschend. Wie Regisseur Sergio Corbucci („Zwei Companeros“, „Mercenario – Der Gefürchtete“) geht somit auch Sergio Leone sehr humoristisch und bitter an seine politische Botschaft. Und liefert somit eine Reise, die uns nicht immer gefallen muss.
In Sachen Inszenierung, Musik, Darsteller, Ausstattung oder schlichtweg den verschiedenen Genre-Elementen ist „Todesmelodie“ indes über jeden Zweifel erhaben. Leone war 1971 förmlich schon ein Routinier, sodass viele Elemente einen starken Wiedererkennungswert haben. Egal ob langsame Kamerafahrten, das geniale Zusammenspiel aus Bild und Ton (auch dank Ennio Morricone), die sehr dichten wie wiederholenden Aufnahmen von den Augen der Protagonisten oder schlichtweg die Imposanz eines groß angelegten Gefechtes (gerade hier bietet „Todesmelodie“ nach „Zwei glorreiche Halunken“ aus dem Jahre 1966 die wohl stärksten Momente des Genres). Alles fügt sich gekonnt ineinander und ergeben ein Abenteuer, welches sich auch genügend Freiraum für seine Charaktere nimmt. Und gerade hier kann Leone einmal mehr zeigen, wie treffende Charakter-Erzählung funktioniert.
So lernen wir zu Beginn Juan Miranda (fantastisch verwirrt, verärgert sowie verloren gespielt von Rod Steiger) kennen, der als „Bauerntrampel“ oder „Idiot“ erst einmal eine gehörig derbe Beleidigung der oberen Schicht ertragen muss, bevor er am Zug ist. Und doch: Miranda ist bis zum Ende des Films hinweg keinen Deut schlauer geworden als zuvor. Somit ist auch seine Frage durchaus in Finale berechtigt: „Und was ist mir“? Miranda symbolisiert daher das einfache Volk, mit Familie, Hoffnung, Sehnsucht und dem Wunsch, dass sich seine eigene kleine Welt ändert. John Mallory (James Coburn in fantastischer Besetzung) hingegen, gesuchter IRA „Terrorist“ und Sprengstoffexperte, stellt das komplette Gegenteil da: Patriotisch immer mit dem großen Ziel vor Augen, versucht er seine Revolution zu meistern. Eine jedoch, die mehr zum Scheitern verurteilt ist, als er sich selbst eingestehen möchte. Daher werden auch die verschiedenen Kämpfe die er austrägt immer mit einem bitteren Beigeschmack gewürzt. Seine Suche nach Erlösung bringt uns daher den meisten Schmerz. Überhaupt kann Leone schonungslos die eigentliche Revolution mit all seinen Konsequenzen darstellen. Flucht, der Verlust der Familie, Massenerschießungen oder der schlichtweg allgegenwärtige Tod. Die Reise der durch Zufall zusammengeschweißten Freunde ist daher geprägt mit dem eigentlichen menschlichen Wahnsinn.
Doch dies ist erst der Anfang: Fast Beiläufig schafft es Leone auch noch die Revolutionsführer sowie Hintergründe in seinen Film mit einzubauen. Zwar bleibt dies letztlich alles im Hintergrund (angenehm vor allem), was dafür aber den Fokus auf Miranda und John stärkt. Und somit der Frage nach der Erlösung, der Rache und dem Weg aus der Revolution. Hier allerdings, kann uns Leone mit seiner Sprache nicht immer überzeugen: „Giù la testa“ („Kopf runter!“) könnte nämlich auch als Konservatismus interpretiert werden. Der Bauer soll sich nicht erheben, sodass ihm erst gar keinen Schaden passieren kann. Vielleicht ist es aber auch die Umkehrung. Wer seinen Kopf unten behält, muss mit den Konsequenzen seines Nichtstun leben. Andersherum mit den Konsequenzen seines Handelns. So oder so, bleibt die Revolution ein blutiges Geschäft. Heute wie damals.
Fazit
Neben der Tatsache, dass „Todesmelodie“ ein fantastischer Western ist (trotz einiger kleinerer Längen), ist er vor allem eine tiefe wie bittere politische Reise. In uns selbst, in die 70er Jahre, doch vor allem in das Jahr 1913. Freundschaft, Rache, Erlösung und die Suche nach der Freiheit. All dies gibt sich blutig und effektreich die Hand, sodass jeder Fan sich einmal dieses Abenteuer ansehen sollte. Dort, wo Revolution ist, ist auch Konfusion.“ (Mallory zu Miranda)
Kritik: Thomas Repenning
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